Covid-19 Wie es mit Sportverein und Fitnessstudio in der Coronakrise weitergehen kann

25. April 2020


Boxen findet wegen des Coronavirus auch weit nach dem 30.03. nicht statt. (www.imago-images.de)

Der Sportbetrieb im Verein ruht wegen der Coronavirus-Pandemie. Doch auch im organisierten Breitensport erhofft man sich, von der schrittweisen Lockerung der Maßnahmen zu profitieren.

Wann kann Sport im Verein wieder stattfinden?

Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es noch nicht. Hamburgs Sportsenator Andy Grote erklärte Anfang der Woche, man sei sich bei der Sportministerkonferenz einig gewesen, dass man in der ersten Mai-Woche langsam wieder starten wolle. Man sei sich auch einig gewesen, dass das Thema Hallen- und Indoorsport sowie Fitnessstudios erst zu einem späteren Zeitpunkt anstehe, sagt der SPD-Politiker dem NDR. Erste Entscheidungen sind für den 30. April zu erwarten, wenn die Runde der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Merkel wieder zusammenkommt.

Der Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV), Jörg Ammon, sagte dem Deutschlandfunk, er stehe in regelmäßigem und engem Austausch mit Vertretern der bayerischen Staatsregierung. Derzeit werde ein Konzept für die Freigabe bestimmter Sportarten erarbeitet, das voraussichtlich ab Anfang Mai in Kraft treten soll. Ziel sei die schrittweise Wiederaufnahme des Sportbetriebs und die Öffnung von Sportanlagen und Sportstätten. Dabei spiele die Expertise von Virologen und Sportmedizinern eine große Rolle.

Für den Landessportbund NRW sagte Sprecher Frank-Michael Rall ebenfalls dem Deutschlandfunk, der LSB hoffe, dass „ab dem 4. Mai ein schrittweiser Wiedereinstieg in den Sportalltag an der Basis gelingen könne“. Man bemühe sich derzeit gemeinsam mit der Staatskanzlei NRW, dies zu erreichen. Allerdings wolle man in Nordrhein-Westfalen keinen Alleingang. Was man im Landessportbund NRW mit der Staatskanzlei in Düsseldorf berate, finde in anderen Bundesländern auch statt. Das bestätigte Auch wenn es keine Sicherheit gebe, dass dieser Termin so eingehalten werden könne, zeigte Rall sich zuversichtlich, dass der Sport in dieser Runde zu Gehör komme.

Bundesgesundheitsminister Spahn betonte, wer sich mit dem nötigen Abstand im Fitnessstudio sportlich betätigen wolle, der solle das tun können. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet sprach sich dafür aus, Sportangebote im Kinder- und Jugendbereich alsbald wieder zu ermöglichen. Er sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die Lebenswirklichkeit vieler Kinder sei durch die Corona-Politik aus dem Blick geraten: „Wenn die Jugendlichen jetzt alle in Shoppingmalls gehen oder sich in Parks treffen, statt auf den Sportplatz zu gehen, ist das ja auch nicht Sinn der Sache.“ Kanzlerin Merkel hatte zuletzt die Debatte über Lockerungen kritisiert.

Wer darf dann wieder Sport im Verein treiben?

Das wird davon abhängen, ob die zehn Leitplanken des Deutschen Olympischen Sportbundes eingehalten werden können, unter denen sich der organisierte Sport ein stufenweises Wiederaufleben des Vereinssports vorstellt. (Dazu finden Sie hiereinen Hintergrundbeitrag der DLF-Sportredaktion.) Die Leitplanken sind: Distanzregeln einhalten, Körperkontakte auf das Minimum reduzieren, Freiluftaktivitäten präferieren, Hygieneregeln einhalten, Umkleiden und Duschen zu Hause, Fahrgemeinschaften vorübergehend aussetzen, Veranstaltungen wie Mitgliederversammlungen und Feste unterlassen, Trainingsgruppen verkleinern, Angehörige von Risikogruppen besonders schützen und generell Risiken in allen Bereichen minimieren.

Frank-Michael Rall vom LSB NRW betont, dass kontaktarme Sportarten wie Tennis und Golf es leichter haben werden als Kontaktsportarten wie Handball, Karate oder Judo. Es sei Aufgabe der Fachverbände, unter Beachtung der Leitplanken durchzuführen, was Sinn ergebe, und dann möglicherweise in Kleingruppen mit Abstand stundenweise die Sportstätten wieder zu eröffnen. DOSB-Chef Alfons Hörmann betonte allerdings im SWR, dass es keine Sonderlösung für einzelne Sportarten geben dürfe.

Gibt es im Moment Ausnahmen vom Vereinssportverbot?

Der Sportbetrieb ruht. Aber, betont Jörg Ammon, Wassersport auf natürlichen Gewässern wie etwa Schwimmen, Segeln oder Rudern, aber auch Reiten oder Fahrradfahren seien erlaubt. Zudem finden einige Veranstaltungen online statt: Trainer können die Zeit nutzen, um sich weiterzubilden. Turnen, Gymnastik, Kraftsport – für unterschiedliche Sportarten gibt es Internet-Kurse. Die BLSV-Kampagne #Zamfitbleim verfügt bereits über eine Playlist mit über 250 Vereinsvideos. Neben diesem Mitmachangebot finden mittlerweile auch Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen online statt, führte Ammon aus.

Rheinland-Pfalz hat inzwischen einige gesetzliche Lockerungen im Bereich des Sports vorgenommen. Seit Montag dürfen einige Sportanlagen wieder alleine, zu zweit oder mit Personen des eigenen Hausstands für den Trainingsbetrieb genutzt werden, sofern die gebotenen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden können. Zudem muss der Träger der jeweiligen Sportstätte einer Nutzung vorher ausdrücklich zustimmen. Die Lockerung betrifft Individualsportarten im Freien, wie beispielsweise Rudern, Segeln, Tennis, Luftsport, Leichtathletik, Golf oder Reiten und ähnliche Sportarten, bei denen das Kontaktverbot und der Mindestabstand eingehalten werden können.

Die Stadt Brandenburg an der Havel hat Vereinssport unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln bereits wieder zugelassen. Das erklärte der Oberbürgermeister der Stadt, Steffen Scheller, am Montag. Demnach ist Individualsport auf dem Gelände von Vereinen wieder erlaubt – allerdings soll er weiter allein, zu zweit oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Haushalts betrieben werden. Auf dem Gelände des jeweiligen Vereins dürften Motorboote, Segelboote, Surfbretter, Paddelboote, Ruderboote oder Stand-up-Paddling genutzt werden. Gesetzlich sind laut Scheller Ausnahmen von der Untersagung des Sportbetriebes in begründeten Einzelfällen zugelassen, wenn sie vom zuständigen Gesundheitsamt genehmigt werden.

Reiten ist unter bestimmten Bedingungen weiter erlaubt. Pferdehalter dürfen zu ihren Tieren, da die Versorgung und Gesunderhaltung der Tiere sichergestellt sein muss. Dazu müssen die Tiere auch geritten werden. Tabu sind derzeit aber unter anderem Ponyreiten und Reitunterricht in Gruppen, Reiterferien, Spring- und Dressurturniere und Ausritte in Gruppen.

Wie kann ein Training in Mannschaftssportarten ablaufen?

Dort, wo normalerweise Zweikampf zum Geschäft gehört wie beim Fußball, Handball, Basketball oder auch beim Boxen und Ringen muss man vorerst auf Abstand gehen. Wie man unter diesen Umständen trainieren soll, daran arbeiten die Vereine derzeit. Proficlubs etwa im Fußball haben bereits seit einigen Tagen das Training wieder aufgenommen. Und das sieht so aus: Die Vorgaben sehen unter anderem vor, Kleingruppen von vier, fünf oder sechs Spielern zu bildern, die miteinander trainieren und sich auf dem Trainingsgelände verteilen müssen. Möglich sind dabei etwa Ballstafetten oder Torschüsse aber vor allem viel Konditionsarbeit. „Es ist wichtig“, betont Paderborns Trainer Steffen Baumgart, „dass die Spieler den Ball an die Füße bekommen.“

Duschen auf den Vereinsgeländen sind gesperrt, Kantinen bieten nur noch Take-Away-Produkte an. In den Umkleiden müssen besonders große Abstände eingehalten werden und wenn die Spieler weg sind, wird gründlich desinfiziert.

Laufen den Sportvereinen die Mitglieder weg?

Die Mitglieder zahlen Beiträge, erhalten aber keine Leistungen. Doch von einem Mitgliederschwund oder einer Austrittswelle kann laut Landessportbund NRW zur Zeit nicht die Rede sein. LSB NRW-Sprecher Rall vergleicht die aktuelle Situation mit der Flüchtlingskrise 2015, als monatelang Sporthallen als Notunterkünfte belegt waren. Im Einzelfall könne es aber natürlich Vereine geben, die einige Mitglieder verlören.

Aus Bayern heißt es zwar, die Situation sei sehr ernst und viele Vereine müssten mit finanziellen Verlusten rechnen. Dennoch glaube man, so Jörg Ammon, dass der Vereinssport in den nächsten Monaten sogar einen noch größeren Stellenwert in der Gesellschaft einnehmen werde. Das liege vor allem daran, dass Urlaubsreisen in naher Zukunft nicht möglich seien und die Menschen ihre Freizeit in der Heimat und somit auch im Sportverein verbringen. Er spricht von einer derzeit „enorme Solidarität“ und richtet den Apell: dem Verein treu bleiben!

Wie schwer trifft die Corona-Krise die Vereine finanziell?

Auch wenn die meisten Mitglieder weiter zahlen: Ausgefallene Turniere, Tagungen, Feiern – all das macht den Vereinen zu schaffen. Währenddessen laufen viele Kosten weiter. Daher gehen auch Sportvereine in Kurzarbeit.

In Sachen können die Sportvereine inzwischen finanzielle Unterstützung in Form einmaliger Soforthilfe-Zahlung oder Liquiditätsdarlehens beantragen. Die Soforthilfe-Zuschüsse für Vereine können bis zu 10.000 Euro, die Darlehen zur Liquiditätssicherung bis zu 350.000 Euro betragen.

Das Land NRW hat für den Sport zehn Millionen Euro Hilfen zur Verfügung gestellt. Seit knapp einer Woche können die Mittel beantragt werden. Laut LSB NRW haben bisher 230 Vereine Fördermittel beantragt, 1,5 Millionen Euro wurden demnach abgerufen. „Da können die Vereine, die eben unterhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit sind, aber dennoch erhebliche Einnahmeausfälle haben und uns das auch an ihren Wirtschaftsplänen zeigen können, ihre Bedürfnisse geltend machen“, sagte die NRW-Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt, Andrea Milz, im Dlf.

Der Sportökonom Frank Daumann hingegen bezweifelte in diesem Programm den Sinn staatlicher Hilfen für den Sport. Wem nützt es denn, wenn ich Sport treibe? Ich bin doch in erster Linie der Nutznießer. Ist da die Notwendigkeit für eine staatliche Förderung? Ich würde sagen, nein!“

Was ist mit Fitnessstudios?

Vereinseigene Fitnessstudios sind derzeit genauso geschlossen wie rein gewerbliche. Auch Mitglieder der Studios müssen also eine mögliche Lockerung durch die Politik abwarten. Fitnessstudios arbeiten meist kommerziell und sind losgelöst vom Vereinssport. Um so stärker trifft es sie, dass es bislang keine konkreten Perspektiven durch die Politik gibt, mit welchen Hygienemaßnahmen sie wieder öffnen können.

Die Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes der deutschen Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV), Birgit Schwarze, hat in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel Vorschläge für eine Wiedereröffnung formuliert. Darin verweist sie unter anderem darauf, dass man Umkleiden, Duschen und Saunen sperren könne. Auch kontaktlose Zugangskontrollen zur Begrenzung von Anzahl und Dauer des Aufenthaltes ließen sich durchführen. Mindestabstände zwischen den fixen Stationen für Kraft- und Cardiotraining seien möglich. Andere weisen darauf hin, dass Trainingsgeräte regelmäßig desinfiziert werden könnten. Die Betreiber von Fitnessstudios meinen, dass man mit entsprechenden Auflagen die Betriebe ähnlich sicher machen könne wie Super- oder Baumärkte. Laut DSSV nutzen rund 12 Millionen Menschen bundesweit die Fitnessstudios.

Ein Betreiber aus Bielefeld wollte per Eilverfahren die Öffnung erzwingen, scheiterte aber vor dem Oberverwaltungsgericht. Um die Infektionsdynamik zu bremsen und die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, seien die Betriebsuntersagungen notwendig, um persönliche menschliche Kontakte zu minimieren, heißt es in der Begründung. Beim Sport im Fitnessstudio würden Kontakte entstehen, die Infektionen begünstigten. Das gelte sowohl für Gruppen als auch fürs Einzeltraining an Geräten.

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Zahlen und Daten zur Coronavirus-Pandemie

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+ Aktuelle Entwicklungen: Zahlen zum Coronavirus in Deutschland
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Erkrankung und Testverfahren

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Medikamente und Schutz

+ Impfstoffe und Medikamente: Ansätze für Medikamente gegen das Coronavirus
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https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-wie-es-mit-sportverein-und-fitnessstudio-in-der.1939.de.html?drn:news_id=1124162

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